Er fuhr bei Rot über die Ampel, bemerkte es aber erst, als das Blitzlicht aufleuchtete. Still fluchte er vor sich hin. Seine Unachtsamkeit schrieb er dem wohligen Schauer zu, der ihn jedes Mal erfasste, wenn er an seine Freundin dachte. Gleich würde er Martha in seine Arme schließen. Sie hatten beschlossen, ein verlängertes Wochenende in Paris zu verbringen. Dazu mussten sie mit dem Zug allerdings erst einmal einen Umweg über Frankfurt nehmen, denn Robert traf sich dort am Samstagmorgen mit einem Bankier, um mit ihm eine bedeutende geschäftliche Transaktion anzubahnen.

Seiner Frau hatte er erzählt, dass er daran anschließend an verschiedenen Golfturnieren teilnehmen und erst am Montagabend zurückkehren würde. Die Bestätigungen der Turnierleitung hatte er demonstrativ zwei Tage auf dem Wohnzimmertisch liegenlassen. Robert war ein fanatischer Golfer mit einem entsprechend niedrigen Handicap.

Momentan interessierten ihn aber weniger die sanften Hügel grüner Fairways. Seine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf Marthas wohlgeformte Erhebungen und ihre prallen Schenkel mit dem tizianroten Dreieck dazwischen.

Leider wurde das wunderbare Bild, das sich vor seinem inneren Auge abzeichnete, durch die Gedanken an Lisa getrübt - ein ausgetrockneter Parcours, auf dem nicht allzu oft eingelocht wurde. Robert schämte sich für den Vergleich, aber er drängte sich ihm einfach auf. Seine aseptische, bleiche Frau verkörperte das Gegenteil von Martha. Ihre Figur hatte Lisa auf „Eisen 5“-Maße zurechtgehungert, ihr Busen glich dank intensivem Krafttraining zwei steinharten "Titleist"-Bällen und ihre langen Beine mit den spitzen Knien erinnerten ihn an Bernhard Langers Putting-Gerätschaft.

Überraschenderweise fand er vor Marthas Apartmenthaus sofort einen Parkplatz. Er wertete dies als positives Omen. Martha war noch nicht fertig, als sie ihm die Türe öffnete. Sie flog ihm entgegen, um ihn zu umarmen und sein Gesicht mit heftigen Küssen zu bedecken, wie sie es immer zur Begrüßung tat. In ihrer lachsfarbenen Seidenunterwäsche sah sie hinreißend aus. Er musste blinzeln, denn ihr Anblick raubte ihm den Verstand.

Als sie seinen glasigen Blick bemerkte, lächelte sie verführerisch, "lass uns ein Glas Champagner trinken und ein paar Unanständigkeiten treiben, bevor wir aufbrechen."

Unendlich langsam zupfte sie hinterher ihre Strümpfe zurecht, um die feine Naht gerade zu rücken. Dabei sah sie ihm herausfordernd in seine dunklen Augen. Mit rauer Stimme entgegnete er: "Wir sind schon spät dran. Während der langen Fahrt haben wir alle Zeit der Welt für viele weitere kleine Unanständigkeiten."

„Ja, du hast recht, lass uns aufbrechen, denn ich kann es kaum erwarten", hauchte sie.

Lisa thronte neben ihrer Freundin Beatrice auf dem unbequemen, weißen Designersofa und süffelte genüsslich an ihrem Sherry. Auf dem hellen Marmortisch lagen wild verstreut seidene Höschen, BH's und Hemdchen.

"Nun, hast du dich entschieden?" fragte Beatrice.

"Ich weiß nicht, ob diese fischfarbenen Nichtigkeiten zu meiner weißen Haut passen. Dass ich damit bei Robert Eindruck schinde, kann ich mir eigentlich nur schwer vorstellen.“

„Ich habe dir doch von dieser rothaarigen Kundin erzählt, die seit Jahren nur Wäsche in dieser Farbe kauft. Irgendwie muss sie damit Erfolg haben, obwohl auch sie sehr hellhäutig und im Gegensatz zu dir, ziemlich üppig ausgestattet ist. An so einer Frau sieht so etwas natürlich immer etwas ordinär aus, bei deiner Figur hingegen, absolut reizvoll!“

Beatrice senkte die Stimme, um diesem Kompliment Nachdruck zu verleihen, bevor sie nachfragte, „wieso  willst du bei Robert Eindruck schinden? Vernachlässigt er dich etwa?"

„Leider ja. Seit Wochen rührt er mich nicht an. Ihn interessieren nur sein albernes Golf und die anschließenden Trinkgelage mit seinen Kumpels. Jedenfalls ist er immer völlig erschöpft, wenn er spät nach Hause kommt."

"Ich könnte mir vorstellen, dass du damit Erfolg hast."

Mit geübten Fingern und einem verschwörerischen Lächeln auf ihren gelebten Gesichtszügen zog Beatrice einen pfirsichfarbenen Slip und einen Strumpfhalter aus dem Haufen. Lisa zögerte einen Moment, wurde dann aber von ungezügelter Kauflust übermannt.

Da Beatrice die Eigenheiten ihrer Freundin kannte, schickte sie ihr in regelmäßigen Abständen ein stattliches Sortiment edler Unterziehware ins Haus. Lisa enttäuschte sie nie. Dieses Mal allerdings übertraf sie sich selbst. Sie kaufte alles, was auch nur annähernd zwischen Orange und Koralle changierte.

Allmählich spürte sie die Wirkung des Sherrys. Schwerfällig erhob sie sich und wankte in die Küche, um Nachschub zu holen. Auf dem Weg dorthin bemerkte sie, dass Robert seine Aktentasche vergessen hatte. Offenbar hatte er es so eilig gehabt, dass er nur seine Golfschläger, seine Reiseutensilien und die wenigen Papiere, die neben dem Telefon gelegen hatten, gegriffen hatte.

Sie beschloss, zum Bahnhof zu fahren. Vielleicht erwischte sie ihn ja noch.

Beatrice zeigte erstaunlich großes Verständnis für die Sorgen Lisas. „Ich würde genauso handeln wie du, wenn mein Partner seine Aktentasche vergessen hätte. Wer weiß, welche wichtigen Unterlagen sich in ihr verbergen", bemerkte sie süffisant, nicht ohne Lisa darauf hinzuweisen, dass sie in ihrem Zustand lieber ein Taxi rufen sollte. Dieser Einwand kam nicht mehr an, denn längst war Lisa aus der Haustür gestürmt und in die Tiefgarage gestolpert.

Mit ihrem VW-Golf raste sie in die Innenstadt.

Als Robert mit Martha den Bahnsteig entlang hastete, bemerkte er das Fehlen der Tasche. "Entschuldige, ich muss noch mal zum Auto. Ich habe meine Unterlagen und die Tickets vergessen."

„Sei doch nicht so nervös, wir haben noch genügend Zeit. Ich steig schon mal ein und mache es uns gemütlich", schnurrte Martha, "lass dein Kätzchen aber nicht zu lange warten."

Robert spürte sein Herz rasen, als er zu seinem Fahrzeug lief. Er konnte sich nicht erklären, warum er so nervös war, obwohl alles nach Plan lief. In Zukunft würde er kürzer treten. Erst vor zwei Wochen war ein langjähriger Golfpartner einem Herzinfarkt erlegen.

Er war noch tief in Gedanken versunken, als er die Straße überquerte, die zwischen dem Bahnhof und seinem Auto lag. Den Golf ohne Licht, der ungebremst auf ihn zusteuerte, bemerkte er nicht.

Martha wurde langsam ungeduldig. Vielleicht saß Robert an der Bar des Intercity und wartete dort auf sie. Sie wagte jedoch nicht, ihren Platz zu verlassen, damit er sie nicht verfehlte. Endlich setzte der Zug sich in Bewegung. Eine wilde Vorfreude erfasste sie. Er war der beste Liebhaber, den sie je gehabt hatte.

Robert erwachte drei Wochen später aus einem komaartigen Dämmerzustand. Verschwommen erkannte er fahlgrüne Wände. Kaltes gleißendes Licht blendete ihn. Ganz allmählich nahm er die mageren Umrisse Lisas wie einen Scherenschnitt wahr. Er konnte sich nicht entsinnen, warum er hier war. Lisa beugte sich vor und legte ihre Hand vorsichtig auf seine in Mull verpackte Stirn. Unter starken Schmerzen versuchte er zu sprechen. Sie schüttelte ihren Kopf, um ihm zu bedeuten, dass er nichts zu sagen brauchte.

„Liebling, du musst jetzt ganz stark sein", begann sie leise, so als könnte ihm auch ihre Stimme schaden. Dann brachte sie ihm schonend bei, was mit ihm passiert war.

Wie ein Hieb mit der Axt klangen ihre abschließenden Worte: „Es war alles meine Schuld. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde mich immer um dich kümmern, das verspreche ich dir. Nun ruh dich ein wenig aus."

Die Tage - einer wie der andere - schlichen sich zäh dahin. Dass er im Rollstuhl saß, war schlimm, dennoch nicht das Schlimmste.

Ärger traf es ihn, dass Lisa - wenn sie nicht gerade halbnackt in rosa Seidenwäsche vor ihm herumturnte - ihn auf die Driving Range schleppte und er ihr stundenlang bei ihren Abschlags- Chipping und Pitching-Übungen zusehen musste.

Sie hatte entdeckt, dass das Golfspiel ein herrlicher Zeitvertreib war. Er ahnte, dass sie einen Flightpartner gefunden hatte, der neben Sportlichem auch anderes mit ihr teilte, denn sie brachte Robert immer nach Hause, bevor sie auf die Runde ging.

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